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Kreisläufe schließen – Permakultur zum Kennenlernen

Vergangene Woche veranstaltete der Grüne Ortsverband eine mit über 60 Personen sehr gut besuchte Vortrags- und Diskussionsveranstaltung zum Thema „Permakultur“ mit dem Schriesheimer Permakultur-Praktiker Jörn Müller. Viele der Gäste kannten den Begriff und waren gerade deswegen gekommen, andere waren neugierig, worum es dabei eigentlich geht.

Volles (Rat-)Haus (Foto: M. Delbrück)

Der Ausgangspunkt ist sicherlich allen bekannt: der prekäre Zustand der globalen wie regionalen und lokalen Ökosysteme zwischen Klimawandel, Artensterben und Landschaftsverbrauch. Doch Jörn Müller hielt sich nicht lange mit der Beschreibung der bedrohlichen gegenwärtigen Lage auf, sondern schlug vor, die Krise als Chance zu sehen. Um es mit den philosophischen Worten des Japaners Masanobu Fukuoka zu sagen: „Du kannst alle Probleme der Welt in einem Garten lösen.“ Zum Teil sehr alte, aber auch erst in den letzten etwa 50 Jahren entwickelte Ideen der nachhaltigen Landbewirtschaftung lassen sich verallgemeinern zu einem nachhaltigen Lebens- und Wirtschaftsstil.   Die Permakultur-Bewegung spricht von einem ethischen Design-Prinzip. Die Basis sind zwei Erkenntnisse: 1. sind wir alle immer ein Teil der Natur und 2. sind „natürliche Systeme immer offene Systeme; je komplexer sie sind, desto stabiler und effizienter werden sie.“, so Jörn Müller. Es geht darum, Prozesse, Projekte, Ver- und Entsorgung und eben auch Gärten nachhaltig anzulegen und kontinuierlich („permanent“) weiterzuentwickeln: natürliche Muster erkennen, verstehen, fördern und nutzen, oder in Müllers Worten: „Permakultur ist angewandte Selbstorganisation.“ Dieser Ansatz ist nachhaltig und deshalb auch ethisch, weil er auf eine dauerhaft verträgliche Nutzung als Teil des natürlichen Systems abzielt und damit das gemeinsame und gute Leben (und Überleben!) zum Ziel hat.

Auch wenn sich dieses Prinzip also auf praktisch alle Lebensbereiche anwenden lässt, ging es im Vortrag vor allem um Landnutzung und die eigene gärtnerische Tätigkeit. Etwa Anfang der 1970er begannen die Australier Bill Mollison und David Holmgren Gärten bzw. Farmen nach diesen Ideen aufzubauen. Sie formten dafür aus „permanent (agri)culture“ den Begriff „permaculture“, zu Deutsch Permakultur. Diese Anwesen sind jetzt über 50 Jahre alt und überstanden z. B. fast als einzige die verheerenden australischen Waldbrände und Dürren der letzten Jahre. Jüngere Beispiele, aber dafür deutlich mehr in Fahrradnähe sind etwa der „Wandelgarten“ in Heidelberg-Kirchheim oder die Arbeiten der Permagarten-Gruppe des BUND Ladenburg. An verschiedenen Orten gibt es Konzepte wie „Essbare Stadt“ und „Rooftop Farms“. In Rheinland-Pfalz ist die „Stiftung Lebensraum“ aktiv, welche u. a. ökologischen Bodenschutz mit Terra-preta-Nutzung praktiziert.

Jörn Müller selbst beschäftigt sich besonders mit „Waldgärten“, welche durch vertikale Strukturierung, natürlichen Bodenschutz und vielfache Synergien und gekoppelte Kreisläufe mit minimalem Einsatz maximale und vielfältige Erträge liefern – vorausgesetzt, man nimmt sich die Zeit, sie kontinuierlich aufzubauen und eben „permanent“ zu kultivieren und weiterzuentwickeln. Übrigens betreibt Herr Müller auch bei uns in Dossenheim eine 1300 qm große Waldgarten-Experimentierfläche namens Grünheck. Eventuell gibt es im Frühjahr/Frühsommer eine Exkursion, bleiben Sie dran!

Zum Abschluss gab uns Herr Müller einen 10-Punkte-Plan fürs eigene Permagärtnern mit (sowie eine umfangreiche Link- und Literaturliste, die hier abrufbar ist):

  • mach dir dein primäres Ertragsziel klar (Obst? Gemüse? Artenvielfalt? Freude?)
  • analysiere alle wesentlichen Elemente wie Standort, Klima, Infrastruktur, vorhandene Arten
  • Muster erkennen: Was wächst bei mir wo und wann und unter welchen Bedingungen gut?
  • die Natur beobachten und verstehen lernen
  • essbare Wildpflanzen kennenlernen und nutzen
  • Digitalisierung nutzen (vernetzen, Daten)
  • einjährige Kulturen bedeuten unnötig viel Arbeit und Ressoruchenverbrauch
  • Ökosysteme sind reparabel, aber man muss es auch tun
  • Wildnis zulassen, Flächen zonieren
  • natürliche Bodenpflege: NICHT „aufräumen“!

Vielleicht am besten auf den Punkt gebracht hat Masanobu Fukuoka die Idee des auf Dauer angelegten Gärtnerns als Teil der Natur. Er spricht vom „Do-nothing-Gardening“. Das klingt doch einladend, oder?

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