Referentin war die Biologin Charis Wuthenow vom Umweltzentrum Fulda, sie stellte ihren Vortrag unter die Überschrift „Vom Ökosystem Nacht und einem ganzzeitlichen Naturschutz“. Damit wollte sie zu einem sinnvollen Umgang mit Licht anregen – sinnvoll für die Bedürfnisse der Menschen, die nachts unterwegs sein müssen oder wollen, aber eben genauso sinnvoll für die Natur und auch unsere eigene Gesundheit, welche regelmäßige Phasen der Dunkelheit so notwendig brauchen wie das Licht.
„Der Tag-Nacht-Rhythmus ist der grundlegendste Rhythmus des Lebens.“, wie Prof. Dr. Beate Jessel, Präsidentin des Bundesamts für Naturschutz, es formuliert hat. Alle Pflanzen und Tiere sind an den täglichen Hell-dunkel-Rhythmus angepasst. Entsprechend werden alle Lebewesen von einer Störung dieses natürlichen Ablaufs beeinträchtigt. Und es werden nicht nur nachtaktive Tiere in ihrem Verhalten gestört, die nächtliche Ruhephase der tagaktiven Tiere (dazu zählen auch wir Menschen!) wird ebenso in Mitleidenschaft gezogen. Diese eigentlich selbstverständliche Einsicht ist ziemlich in Vergessenheit geraten, auch beim Natur- und Artenschutz. Tatsächlich sind aber über die Hälfte der Säugetiere und Insekten nacht- oder dämmerungsaktiv. 300 Zugvogelarten fliegen nur während der Nacht und verlieren durch künstliches Licht die Orientierung. Und die künstliche Beleuchtung nimmt weltweit jedes Jahr um 6 % zu. 80 % der Weltbevölkerung sind von Lichtverschmutzung betroffen, in Europa und den USA 99 % (Wikipedia „Lichtverschmutzung“). In Berlin sind die Nächte in den letzten 150 Jahren um das Zehn- bis Tausendfache heller geworden (Spiegel Online).
Diese Entwicklung erfordert ein spezielles, ganz-zeitliches Natur- und Artenschutzkonzept, das sich für den Erhalt von natürlichen „Nachtlandschaften“ (Bundesamt für Naturschutz) einsetzt. Besonders betroffen sind Insekten. Künstliches Licht wirkt wie ein „Staubsauger“: die Tiere fliegen zur Lichtquelle und bleiben dort, bis sie verenden. Sie pflanzen sich nicht mehr fort und bestäuben keine Pflanzen mehr. Die Lichtquellen wirken zudem als Barrieren, die Insekten kommen nicht mehr von einer Wiese zur anderen. Wieder andere Arten, z. B. Nachtfalter, werden geblendet und fliegen gar nicht erst los. Gerade die Nachtfalter haben aber eine wichtige Funktion im Ökosystem: Eine Reihe von Pflanzen kann nur von Nachtfaltern mit ihnen langen Rüsseln bestäubt werden. Diese Pflanzen vermehren sich dann kaum noch und stehen im nächsten Jahr auch den tagaktiven Insekten wie Bienen nicht mehr als Nahrungsquelle zur Verfügung.
Zum Glück gibt es lobenswerte Initiativen wie die Heidelberger Kampagne „Licht ins Dunkel – die Nacht neu entdecken“. Besonders zu erwähnen ist hier aber die „Sternenstadt Fulda“. Diese hat schon vor Jahren und als erste deutsche Kommune dieser Größe ein ganzheitliches Lichtkonzept umgesetzt (https://www.sternenstadt-fulda.de). Auch in Dossenheim gibt es gute Beispiele – viele der neuen Straßenlampen strahlen weitgehend nach unten, und deren warmweißer LED-Farbton ist insektenfreundlicher als das frühere Grellweiß. Dennoch gibt es ebenso bei uns helle Werbeanlagen und private Lichtinstallationen, die ringsum, zum Teil sogar fast nur nach oben abstrahlen. Wie es besser gehen könnte, beschreibt der
„Leitfaden zur Neugestaltung und Umrüstung von Außenbeleuchtungsanlagen“
des Bundesamts für Naturschutz.
Natürlich wollen wir den nächtlichen Naturschutz auch im Gemeinderat weiter voranbringen, etwa bei den von der Gemeinde zu verantwortenden baurechtlichen Vorgaben. Wir möchten aber auch darüber hinaus z. B. im Rahmen der Klimawerkstatt und in Zusammenarbeit mit dem Fachdienst Umwelt, Energie und Mobilität der Verwaltung weiter an diesem Thema arbeiten – und freuen uns über jede und jeden, die mitmachen möchten, egal aus welchem Verein, welcher Partei oder aus ganz eigenem Antrieb!
Artikel: Greta Debove und Matthias Delbrück